Freiheit und Gleichheit

Freiheit und Gleichheit – Freiheit und Gerechtigkeit. Begriffspaare, die im Liberalismus eindeutig definiert waren, verschwimmen heute immer mehr. Beobachten wir eine Verschiebung zugunsten von Gleichheit und Gerechtigkeit auf der Werteskala, die zulasten von Freiheit geht? Lassen Sie uns einen Blick werfen auf das Verhältnis von

Freiheit und Gleichheit

Freiheit vs. Gleichheit - Was hat heute Vorrang?

Die Ergebnisgleichheit ist im Begriff, der Freiheit den Vorrang abzulaufen. Diese Umkehr wird nicht zu einer stabilen, normativen Gesellschaftsordnung führen und sich deswegen nicht halten.

In der Klimadebatte sehen wir bereits Ansätze, dass Freiheit nur in dem Maße genutzt werden darf, die dem Klima nicht schadet. Klimaschutz hat Vorrang, und Freiheit ist das, was überbleibt.
In puncto Gleichheit sehe ich eine ähnliche Entwicklung: Freiheit erschöpft sich in den Handlungsmöglichkeiten, die nach Erfüllen aller Gleichbehandlungsforderungen noch offen stehen.

Ein Primat der Ergebnisgleichheit hat fatale Konsequenzen für eine Gesellschaft: Anreize für Produktion, Ausbildung, Ersparnis und Kapitalbildung verschwinden. Das wäre das Ende der Welt, wie wir sie kennen.

Eine Umkehr von Freiheit und Gleichheit führt in eine illiberale Gesellschaft. Eine Welt, in der Freiheit nur mehr in dem Maße ausgeübt werden darf, wie sich an Gleichstellungssätze gehalten wird, ist nicht erstrebenswert. 

Historisch

Paradigmatisch erwies sich seit den Revolutionen in Nordamerika 1776 und Frankreich 1789, dass Freiheit keinen von anderen politischen und sozialen Zielsetzungen unabhängigen Wert darstellen konnte. So entstanden Polaritäten, zumal zwischen Freiheit und Gleichheit, […] die bis in die Gegenwart nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt haben. (C! Edition 2022)

 

Bereits die von den französischen Revolutionären emphatisch vertretene Trias von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ enthielt Spannungsmomente. „Liberté“ setzte primär auf einen naturrechtlichen Begründungszusammenhang, auf das Ideal einer politisch befreiten Staatsbürgergesellschaft […] „Égalité“ verwies demgegenüber auf unterschiedliche Zukunftserwartungen, je nachdem ob ihre Verfechter auf rechtliche, politisch-konstitutionelle oder weitgehende soziale Gleichheit setzten. (C! Edition 2022)

 

Alexis de Tocqueville (1805-1859) erkannte in der Herrschaftspraxis Napoleons III. die Gefahr, die Freiheit durch bewusste Gleichheitsversprechen auszuhebeln […] Hinter der Fassade der Gleichheit verselbstständigte sich die staatliche Exekutive. Ähnliche Tendenzen, die Berufung auf mehr Gleichheit bei gleichzeitiger Erosion von Freiheitsrechten, erkannten Zeitgenossen auch bei Otto von Bismarck in Preußen. (C! Edition 2022)

Freiheit und Gleichheit sind als Bedingungen von Gerechtigkeit in modernen Gesellschaften nicht parallel strukturiert. Freiheit wirkt als Bedingung der Möglichkeit prozeduraler Gerechtigkeit ihrer Struktur nach selbstlegitimierend, ohne dass es auf den konkreten Inhalt der Freiheitsausübung ankäme. Der Sinn von Freiheit ist gerade die Möglichkeit zu inhaltlich unbestimmter Freiheitsbetätigung. Darin liegt der Kern aller liberalen Gerechtigkeitstheorien, die von einem Primat der Freiheit vor der Gleichheit ausgehen. (C! Edition, erscheint März 2023)

 

Freiheit zielt gerade nicht auf möglichst weitgehende Gleichbehandlung, sondern im Gegenteil auf die freiverantwortliche Möglichkeit zur (Selbst-)Unterscheidung. (C! Edition, erscheint März 2023)

Heutzutage wird die Gleichheit gerne als große Antagonistin der Freiheit dargestellt, das Verhältnis beider Postulate als spannungsgeladen wahrgenommen. Dahinter steht die Vorstellung, dass größere Gleichheit nur um den Preis entsprechend größerer Freiheitsbeschränkungen zu erlangen sei […] Als die Begriffe in der frühen Neuzeit im Zuge der Aufklärung erstmals besondere Prominenz erlangten, waren sie aber durchaus komplementär gedacht. Freiheit und Gleichheit bedingten sich gegenseitig und waren als Zwillingspaar zu verwirklichen. (C! Edition 2022)

 

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde man sich bewusst, dass ungezügelte Freiheitsausübung durch die sozial Starken zu einer materiellen Schlechterstellung der sozial Schwachen beitragen kann, und dass bestehende Ungleichheiten in der Gesellschaft damit perpetuiert und vertieft werden. So wurden Freiheit und Gleichheit zunehmend als Werte verstanden, die gegeneinander abzuwägen und in einen Ausgleich zu bringen sind […] Stichwort „soziale Gerechtigkeit“. (C! Edition 2022)

 

Am ehesten lassen sich die Postulate der Freiheit und Gleichheit inhaltlich versöhnen, indem man nicht versucht, eine Nivellierung hinsichtlich der Ausstattung mit materiellen Gütern zu erreichen, sondern Gleichheit primär als „Chancengleichheit“ versteht. Das eröffnet allen Mitgliedern der Gesellschaft gleiche Freiheiten, ist aber im Ergebnis kompatibel mit einer materiell ungleichen Güterverteilung. (C! Edition 2022)

Welches Verhältnis erfordert die Demokratie?

Repräsentative Demokratie muss Freiheit und Gleichheit gleichwertig und aufeinander bezogen verbinden. Die Selbstregierung des demokratischen Souveräns basiert auf diesen beiden Prinzipien, die durch Institutionen, Prozesse und Rechte umgesetzt werden. Freiheit und Gleichheit bedingen und beschränken sich dabei gegenseitig. (C! Edition 2022)

 

Materielle Deprivation bringt leicht soziale Exklusion und politische Nicht-Beteiligung mit sich … Die Umsetzung demokratischer Gleichheit erfordert die Garantie bestimmter sozialer Rechte. Diese dienen unter anderem dazu, strukturelle Unfreiheiten und Ungleichheiten unter den Mitgliedern des Demos zu minimieren. (C! Edition 2022)

 

Freiheit, Gleichheit und Demokratie sind mithin immer wieder neu und je nach unterschiedlichen normativen und politischen Entscheidungen auszubalancieren. (C! Edition 2022)

Es bedarf der Balance von Gemeinschaftlichkeit (Gleichheit) und Individualität (Freiheit). Die verstärkte Diversität ermöglicht größere persönliche Entfaltung und somit eine Erweiterung der Freiheit. Damit einher geht aber auch eine erhöhte Anforderung an die Einzelnen, sich anerkennend und tolerant zu verhalten – d.h. auch, sich unter Umständen zu beschränken. So ergibt sich ein Spannungsfeld zwischen Freiheitsgewinn und Zunahme von Rücksichtnahme bzw. ein Sich-Zurücknehmen zugunsten des Gemeinwohls. (C! Edition 2022)

Lesen Sie mehr zum Thema in der C! Edition Wie viel Freheit müssen wir aufgeben, um frei zu sein?.

Rolf Sachs Equality

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